Chancenkarte: neue Möglichkeiten für Fachkräfte und Betriebe
Am 01.06.24 tritt die letzte Stufe der Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in Kraft: Die Chancenkarte wird eingeführt. Mit der Chancenkarte können Personen aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland einreisen, um hier eine Beschäftigung zu suchen. Ein Arbeitsvertrag ist für die Erteilung der Chancenkarte nicht erforderlich. Allerdings muss die Person die Grundvoraussetzungen erfüllen und mindestens 6 Punkte erreichen. Jakub Czarnecki, der Experte in Fragen für Visumsangelegenheiten aus dem Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge im Welcome Center Schleswig-Holstein, erläutert die Voraussetzungen für den Erhalt der Chancenkarte und die Vorteile für Unternehmen durch die neue Regelung.
Welcome Center SH-Redaktion: Die Einführung der Chancenkarte ist die letzte Stufe der Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Wie neu ist diese Initiative und was ist der Unterschied zum Visum zur Arbeitsplatzsuche?
J.Czarnecki: Die Chancenkarte ist im Grunde genommen ein Visum bzw. ein Aufenthaltstitel zur Jobsuche. Seit 2020 können qualifizierte und voll anerkannte Fachkräfte ein Visum zur Arbeitsplatzsuche beantragen, egal ob mit akademischer Ausbildung oder mit Berufsausbildung.
Diese Regelung wird beibehalten, allerdings gibt es hier Änderungen im Aufenthaltsgesetz. Die bestehende Rechtsnorm zieht in einen neuen Paragrafen um. Der alte Paragraf wird dann zur „Arbeitsplatzsuche im Anschluss an Aufenthalte im Bundesgebiet“, sodass dieser Titel zur Jobsuche z.B. nach Ausbildungen oder sonstigen vorherigen Aufenthalten von der Ausländerbehörde erteilt werden kann.
"Es ist für eine ausländische Fachkraft nicht erforderlich, Punkte zu sammeln, wenn man vollständig anerkannt ist." J. Czarnecki
Die Chancenkarte umfasst ab dem 01.06. sowohl bereits die bestehende Möglichkeit für voll anerkannte Fachkräfte, als auch ein Punktesystem für Personen, die noch keine volle Anerkennung ihrer Qualifikation besitzen.
Welcome Center SH-Redaktion: Was sind die Grundvoraussetzungen für eine Chancenkarte bei einer nicht anerkannten Fachkraft?
J. Czarnecki: Hier geht es darum, in Deutschland einen Arbeitsplatz suchen zu können oder einen Arbeitgeber für eine Qualifizierungsmaßnahme zu finden. Das Gesetz passt sich an und setzt für die "Chancenkarte" klare Bedingungen. Es reicht nicht einfach aus, sechs Punkte zu haben. Die Grundvoraussetzungen sind: eine staatlich anerkannte zweijährige Ausbildung plus Deutschkenntnisse auf A1-Niveau oder Englischkenntnisse auf B2-Niveau.
Die Ausbildung muss durch eine digitale Auskunft für Berufsqualifikation (DAB) von der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) bestätigt werden. Die Auskunft bestätigt, ob die Ausbildung im Heimatland staatlich anerkannt ist und mindestens zwei Jahre dauerte. Diesen Antrag muss man selbst aus dem Ausland online stellen, das kostet 150 Euro. Erst nach diesen Voraussetzungen spielen die Punkte im Antrag eine Rolle.
Man darf nicht vergessen, dass es sich um ein Visum zur Arbeitsplatzsuche handelt. Das heißt, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen müssen erfüllt sein: Der Lebensunterhalt von min. 1.027 EUR / Monat muss gesichert werden, welches durch ein Sperrkonto nachgewiesen werden kann. Mit der Chancenkarte ist es zudem auch möglich einer Nebenbeschäftigung von 20 Stunden die Woche nachzugehen und eine geeignete zweiwöchige Probebeschäftigung zu absolvieren.
Welcome Center SH-Redaktion: Wie funktioniert das Punktesystem?
J. Czarnecki: Insgesamt muss der Antragsteller sechs Punkte erreichen. Die meisten Punkte gibt es z.B., wenn man bereits eine Anerkennung durchlaufen hat und einen Defizitbescheid erhält, der z.B. durch eine Qualifizierungsmaßnahme in einem deutschen Ausbildungsbetrieb absolviert werden kann. Früher war es nicht möglich, mit einem Defizitbescheid zur Arbeitssuche einzureisen. Das heißt, eine nicht voll anerkannte Fachkraft bekommt 4 Punkte für einen Defizitbescheid. Dann könnte man noch einmal 3 Punkte für ein B2-Deutsch-Zertifikat bekommen. Dann hätte der Antragsteller theoretisch 7 Punkte und damit könnte man schon die Chancenkarte beantragen.
Die Punkte sind sehr vielfältig und die Liste ist lang. Die kann man eigentlich auch im Internet oder auf Make it in Germany schon sehen, wofür man wie viele Punkte bekommt.
Welcome Center SH-Redaktion: Wie profitieren die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von der Einführung der Chancenkarte?
J. Czarnecki: Durch die Einführung der Chancenkarte könnten Arbeitgeber von einem größeren Pool an Bewerbern profitieren, wenn es einen Zuwachs geben wird. Laut einer Schätzung des Referentenentwurfs der Bundesregierung könnte dies zu einem Anstieg von 30.000 Personen zur Arbeitsplatzsuche auf das gesamte Bundesgebiet führen.Ob es dann tatsächlich die 30.000 werden, wissen wir nicht. Das müssen wir abwarten.
Es könnten Antragsteller von der Vereinfachung profitieren, da diese ab dem 01.06. nicht mehr die volle Anerkennung bräuchten, sondern auch mit einer Teilanerkennung oder ohne Anerkennung zur Arbeitsplatzsuche unter bestimmten Voraussetzungen einreisen könnten. Das bedeutet, dass es auch für andere Gruppen wahrscheinlicher geworden ist, ein Visum zur Arbeitsplatzsuche zu erhalten.
Haben Sie Fragen zu der neuen Chancenkarte? Wir beraten Sie gerne!
Das Interview führte Anastasia Bogdanova