Mit Vielfalt gegen Personalmangel: DACHSER Neumünster setzt auf Auszubildende aus dem Ausland
DACHSER ist ein weltweit tätiges Logistikunternehmen mit rund 34.000 Mitarbeitenden. Doch an Standorten wie Neumünster macht sich der Personalmangel spürbar. Um dem entgegenzuwirken, setzt das Unternehmen verstärkt auf internationale Nachwuchskräfte. Im Interview mit dem Welcome Center SH berichtet Stephanie Fingerhut, HR-Managerin bei DACHSER Neumünster, von den wertvollen Erfahrungen, die das Unternehmen in den letzten Jahren im internationalen Recruiting gesammelt hat.
Welcome Center SH-Redaktion: Frau Fingerhut, für den Ausbildungsjahrgang 2023 hat DACHSER Neumünster fünf junge Menschen aus Indonesien für eine Ausbildung zum Fachlageristen in Neumünster gewonnen. Wie läuft das Ausbildungsjahr 2024?
S.Fingerhut: Wir bieten Ausbildungsplätze im Bereich Spedition und Logistikmanagement sowie für Fachlageristen an und haben seit letztem Jahr viel gelernt und einige Herausforderungen gemeistert. Am 1. August 2024 konnten wir neun neue Auszubildende aus dem Ausland bei uns begrüßen – sieben aus Indonesien und zwei aus Marokko. Das zeigt uns, dass wir mit unseren bisherigen Erfahrungen auf dem richtigen Weg sind.
Am Standort Neumünster sind insgesamt 106 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, davon 26 Auszubildende - 16 kommen aus dem Ausland. Unsere Lösung für den Personalmangel ist es, zunächst auf Auszubildende zu setzen.
Welcome Center SH-Redaktion: Warum fiel die Entscheidung auf Indonesien und Marokko als Herkunftsländer?
S.Fingerhut: Mehrere Gründe sprachen für Indonesien: Das Land hat eine große Bevölkerung, aber viele junge Menschen haben kaum Perspektiven auf gute Jobs. Das bestätigen unsere Auszubildenden in Gesprächen immer wieder. Ähnliches gilt für Marokko. Ein Kontakt zur Agentur für Arbeit stellte uns zwei marokkanische Auszubildende vor, die dringend einen Ausbildungsplatz suchten. Nach anfänglichem Respekt vor den unterschiedlichen kulturellen Hintergründen haben wir festgestellt, dass diese Vielfalt im Team wertvoll ist - und dass unsere Azubis sich im Alltag untereinander auf Deutsch verständigen müssen, was den Spracherwerb im Alltag effektiv fördert.
Welcome Center SH-Redaktion: Welche Besonderheiten hat die Region Neumünster für die Auszubildenden aus dem Ausland?
S.Fingerhut: Neumünster ist kein Hamburg oder Köln, das müssen unsere Azubis von Anfang an wissen. Wir legen viel Wert darauf, ihnen ein realistisches Bild der Region zu vermitteln, damit sie sich hier auch langfristig wohlfühlen. Bei der Integration sind dann nicht nur wir als Unternehmen gefragt, sondern auch die Berufsschulen und Lehrer, die Klassen mit internationalen Azubis unterrichten.
Welcome Center SH-Redaktion: Wie haben Sie das Thema Wohnraum für die Azubis gelöst?
S.Fingerhut: Wir haben Wohnungen angemietet und die Azubis mit einem Untermietvertrag bei uns einziehen lassen. Aktuell teilen sich immer zwei Auszubildende ein Zimmer. Das ist vielleicht nicht ideal, aber für die Ausbildungszeit eine akzeptable Lösung und auch in anderen Branchen gängig.
Welcome Center SH-Redaktion: Wie läuft die Auswahl der Kandidaten ab?
S.Fingerhut: Ich bekomme die Bewerberprofile von der Agentur, mit der wir zusammenarbeiten, und führe dann die Interviews per Video-Call durch. Die Bewerber aus Indonesien haben in der Regel bereits ein Sprachzertifikat auf B1-Niveau und sind gut auf die Themen vorbereitet. Im Gespräch entscheidet oft das Bauchgefühl, ob ein Kandidat passt oder nicht. Manchmal berücksichtigen wir auch Aspekte wie Auslandserfahrung von Familienmitgliedern, Alter oder Vorbildung. Damit die Bewerber eine klare Vorstellung davon bekommen, was sie erwartet, zeige ich ihnen das Lager per Video - da kam dann zum Beispiel die Frage: „Was ist ein Gabelstapler?“ Es ist also viel Vorbereitung nötig.
Welcome Center SH-Redaktion: Wie gestaltet DACHSER Neumünster die Integration der Neuankömmlinge?
S. Fingerhut: Die Integration unserer internationalen Auszubildenden geht weit über die berufliche Ausbildung hinaus. Schon vor der Ankunft müssen viele organisatorische Details geklärt werden, damit sich die Auszubildenden schnell und gut einleben können. Ohne Steuernummer kann kein Bankkonto eröffnet werden und ohne Konto gibt es kein Gehalt. Von der Anmeldung über die Beantragung der Steuernummer bis hin zur Eröffnung eines Bankkontos müssen also alle Schritte genau geplant werden. Ähnliches gilt für die medizinische Versorgung und die Suche nach einem Hausarzt.
Auch die Anreise nach Deutschland ist für die Auszubildenden eine Herausforderung, da sie die Flugkosten selbst tragen müssen. Um sie finanziell zu entlasten, haben wir eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, mit der sie die Reisekosten über einen längeren Zeitraum abstottern können.
„Wir sind wie ein erweitertes Elternhaus für junge Menschen, die weit weg von Zuhause sind“. S.Fingerhut
Wir sorgen dafür, dass alle Auszubildenden einen Ansprechpartner haben. Jeder bekommt einen Mentor zur Seite gestellt, der für Fragen und Unterstützung im Alltag zur Verfügung steht. Um die Integration zu fördern, informieren wir das gesamte Team über die neuen Azubis aus dem Ausland und erläutern die Hintergründe und Ziele des Programms - so wissen alle, warum es jedes Jahr mehr internationale Azubis gibt und welche Vorteile das für das Team hat.
Am Ankunftstag begleiten wir die Azubis bei alltäglichen Aufgaben und zeigen ihnen wichtige Anlaufstellen: vom Bahnhof zur neuen Wohnung, in den Supermarkt und auch ins Büro. Dinge wie Mülltrennung, Lüften, Küchengeräte bedienen oder Fahrkarten kaufen sind für sie oft völlig neu. Hinzu kommen kulturelle Unterschiede - die Auszubildenden aus Indonesien zum Beispiel kamen im Hochsommer an und brauchten Unterstützung, um sich auf das für sie fremde Klima vorzubereiten. Wir haben ihnen Winterjacken zur Verfügung gestellt, um sie auf die kalte Jahreszeit vorzubereiten.
Auch der Kontakt zu Behörden wie dem Einwohnermeldeamt und der Ausländerbehörde sowie das Organisieren eines Fahrrads oder das Erklären des Busfahrplans gehören dazu. Unser „Welcome Day“ hilft, ihnen einen guten Start zu ermöglichen und das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Diese intensive Betreuung, die wir liebevoll als „erweitertes Elternhaus“ bezeichnen, ist entscheidend, damit sich die jungen Menschen bei uns und in Deutschland wirklich wohlfühlen können.