Interview mit Berna Kilinc:
„Englisch öffnet Türen – Deutsch macht den Weg frei“
Berna Kilinc kam vor rund acht Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Nachdem sie dort ihren Bachelorabschluss gemacht hatte, entschied sie sich, ihre akademische Karriere im Ausland fortzusetzen – mit einem Masterstudium in Deutschland. Dabei spielte auch ihr Vater eine wichtige Rolle: Er hatte 25 Jahre lang in Deutschland gearbeitet und seiner Tochter von seinen positiven Erfahrungen berichtet. Für Berna war klar, eine neue Sprache zu lernen und in ein europäisches Bildungssystem einzutauchen, würde ihrer beruflichen Zukunft nutzen. Heute arbeitet sie als Beraterin im Welcome Center Schleswig-Holstein und unterstützt internationale Fachkräfte bei ihren ersten Schritten in Deutschland.
Welcome Center SH: Frau Kilinc, Sie selbst sind als internationale Fachkraft nach Deutschland gekommen. Wie war Ihr Weg in den deutschen Arbeitsmarkt?
Berna Kilinc: Mein Weg war ziemlich herausfordernd. Als ich vor etwa 8 Jahren nach Deutschland gekommen bin, war alles für mich neu – das System, die Kultur, aber vor allem die Sprache. Ich hatte damals nur A1-Niveau in Deutsch, konnte mich also kaum verständigen. Das war eine große Hürde, denn ohne Sprache versteht man nicht, wie alles funktioniert, vom Alltag bis zum Arbeitsleben.
Zunächst habe ich einen zweijährigen Intensivkurs Deutsch an der Universität Bochum absolviert. Danach habe ich die C1-Prüfung bestanden und mich für ein deutschsprachiges Masterstudium an der Universität Bamberg beworben. Dieses Studium war für mich nicht nur fachlich, sondern vor allem sprachlich extrem hilfreich. Die deutsche Sprache war also der Schlüssel für meinen beruflichen Einstieg.
Welcome Center SH: Viele internationale Studierende sprechen hervorragend Englisch. Reicht das aus, um sich in Schleswig-Holstein zu integrieren und beruflich erfolgreich zu sein?
Berna Kilinc: Englisch ist definitiv ein großer Vorteil, besonders am Anfang. Es öffnet Türen, man kann erste Kontakte knüpfen, einfache Aufgaben übernehmen oder sich in internationalen Teams verständigen. Aber wenn man langfristig in Deutschland leben und arbeiten möchte, dann reicht Englisch allein nicht aus.
Man merkt das besonders im Alltag: beim Arztbesuch, bei Behördengängen, bei E-Mails im Büro oder im Gespräch mit Kolleginnen. Irgendwann kommt man mit Englisch an Grenzen.
"Im Berufsalltag sprechen Menschen ganz anders als in Lehrbüchern." Berna Kilinc
Welcome Center SH: Welche Deutschkenntnisse sollte man mindestens mitbringen, wenn man in Deutschland arbeiten möchte?
Berna Kilinc: Viele denken, dass B1 ausreicht, um in den Job einzusteigen. Aber meiner Erfahrung nach ist das zu wenig – gerade, wenn es um anspruchsvolle Tätigkeiten oder den Umgang mit Kunden und Kolleginnen geht. Ich empfehle mindestens das B2-Niveau. Und selbst dann ist man noch nicht „durch“.
Im Berufsalltag sprechen Menschen ganz anders als in Lehrbüchern: Sie verwenden Umgangssprache, Fachbegriffe und Redewendungen. Ich erinnere mich, dass ich vieles von dem, was ich im Sprachkurs gelernt hatte, wieder „zur Seite packen“ musste, weil die Realität ganz anders aussah.
Welcome Center SH: Welche Möglichkeiten gibt es in Schleswig-Holstein, Deutsch zu lernen und sich sprachlich und beruflich zu integrieren?
Berna Kilinc: Es gibt sehr viele Angebote. Klassische Integrationskurse (IQ-Netzwerk), berufsspezifische Sprachkurse, Kurse an Hochschulen oder Sprachschulen (Kursportal Schleswig-Holstein,
BAMF-NAvi - Kursorte). Viele lokale Projekte und Institutionen bieten Unterstützung an. Besonders wichtig finde ich berufliche Sprachkurse, die auf bestimmte Branchen zugeschnitten sind, z. B. im medizinischen oder technischen Bereich.
Welcome Center SH: Was empfehlen Sie internationalen Fachkräften, um die deutsche Sprache im Alltag zu lernen – auch jenseits von Kursen?
Berna Kilinc: Ich empfehle unbedingt, möglichst viel mit Menschen aus anderen Ländern oder mit Deutschen zu sprechen, am besten nicht nur mit Landsleuten. Denn wenn man immer in der eigenen Sprache spricht, lernt man kein Deutsch.
Man kann sich bewusst eine Wohngemeinschaft suchen, Filme und Serien auf Deutsch schauen, Nachrichten lesen. Auch Nebenjobs in der Gastronomie oder im Service helfen sehr. Ich habe während meines Studiums als Übersetzerin gearbeitet – jeden Tag auf Deutsch – und das hat meine Sprachkenntnisse enorm verbessert. Es ist wichtig, sich Gelegenheiten zu schaffen, bei denen man Deutsch sprechen muss.
Welcome Center SH: Was macht Schleswig-Holstein für Sie zu einem besonders attraktiven Standort für internationale Fachkräfte?
Berna Kilinc: Schleswig-Holstein ist ruhig, aber gleichzeitig voller Chancen. Ich habe auch in Bochum, Bamberg und Berlin gelebt, aber Schleswig-Holstein wirkt auf mich am einladendsten. Die Menschen hier begegnen einem offen, auch wenn man noch nicht perfekt Deutsch spricht.
Und dann ist hier noch das Meer. Ich komme aus Izmir in der Türkei, für mich bedeutet Wasser Heimat. Schleswig-Holstein mit seinen Stränden erinnert mich daran.
Welcome Center SH: Was motiviert Sie persönlich in Ihrer Arbeit für internationale Fachkräfte im Welcome Center Schleswig-Holstein?
Berna Kilinc: Meine größte Motivation ist, dass ich selbst diesen Weg gegangen bin. Ich weiß, wie unsicher man sich fühlt, wenn man in ein neues Land kommt, ohne Sprache, ohne Orientierung, ohne soziale Kontakte. Ich habe damals fast alles alleine herausfinden müssen, und das war oft frustrierend. Es gab zwar offizielle Stellen, aber die Antworten waren oft unpersönlich oder wenig hilfreich. Es hat mir an echter Begleitung gefehlt.
Heute kann ich genau diese Lücke füllen. Ich arbeite mit Menschen aus aller Welt, die oft ähnliche Fragen und Sorgen haben wie ich damals. Ich kann sie ernst nehmen, individuell unterstützen und ihnen Mut machen. Und ich sehe täglich, wie wichtig es ist, dass jemand sagt: „Du bist nicht allein. Wir schaffen das zusammen.“ Dieses Gefühl weiterzugeben, das motiviert mich jeden Tag aufs Neue, denn ich weiß, wie viel das bedeuten kann.
Das Interview führte Anastasia Bogdanova